In Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen mangelt es an speziellen Beratungs- und Beschwerdestellen, die im Fall von rassistischer Diskriminierung kompetent weiterhelfen. Umso wichtiger ist es, dass das pädagogische Personal an Schulen für dieses Thema sensibel ist.
Was war das Problem?
Sozialarbeiter_innen einer Schulstation fühlten sich unsicher im Umgang mit einem Kollegen. Schüler_innen einer 8. und 9. Klasse hatten sich an sie gewandt, weil sie sich durch einen ihrer Lehrer permanent herabgesetzt fühlten. Unter den aus dem Gedächtnis zitierten Beispielen fanden sich rassistische Aussagen, die die Schüler_innen in Bezug auf ihre Herkunft und muslimische Religionszugehörigkeit herabsetzten. Beispielsweise: „Na, schon mal das Meer gesehen? Bestimmt – als Du auf ’nem Boot hier her gekommen bist…“ oder „In dem Land aus dem Du kommst werden alle Frauen geschlagen. Das kennst Du von Deiner Mutter.“
Die Sozialarbeiter_innen wendeten sich an die MBR und informierten die Schulleitung. Als Problem beschrieben sie zum einen ihre Unsicherheit, wie mit solchen Aussagen, aber auch speziell in diesem Fall, mit dem Lehrer und der Schulleitung umzugehen sei. Zum anderen beschrieben sie als Hauptproblem „die Stille“ im Lehrer_innen-Zimmer zu dem Vorfall. Alltagsrassistische Aussagen würden ignoriert, obwohl es auch eine Reihe sensibler Lehrer_innen gebe.
Die Sozialarbeiter_innen wünschten sich zunächst Beratung hinsichtlich des bevorstehenden Gesprächs mit der Schulleitung und dem kritisierten Lehrer.
Wie konnten wir helfen?
In der Beratung wurde nach möglichen Deutungen der Pädagog_innen gefragt und Hypothesen aufgestellt: Was könnten Gründe des Lehrers sein, so zu handeln?
Hat er vielleicht rassistische Vorurteile und ist unfähig diese zu erkennen? Kann er Verhalten nicht von „ethnischer Zugehörigkeit“ trennen? Oder möchte er den Schüler_innen konservative Werte vermitteln und nimmt jedes Fehlverhalten persönlich? Geht es ihm um Machtausübung oder steckt hinter seinem Verhalten ein pädagogischer Anspruch?
Die Sozialarbeiter_innen entdeckten im Beratungsgespräch immer mehr Hinweise im Verhalten des Lehrers, die sie optimistisch stimmten. Er engagiert sich durchaus für Schule und Schüler_innen und sollte als aktiver Pädagoge ein Interesse an fachlichem Austausch haben.
Die Mitarbeiter_innen der Sozialstation hatten auch direkt mit den Betroffenen gesprochen: Diese äußerten ein sehr großes Unwohlsein im Unterricht, ein Gefühl persönlich verletzt zu werden und auch die Angst, eine Beschwerde könnte sich nachteilig für sie auswirken. Die Äußerungen des Lehrers beurteilten die Sozialarbeiter_innen klar als rassistisch diskriminierend.
Die Beratung der MBR konzentrierte sich jetzt darauf die Beratungsnehmer_innen für das bevorstehende Gespräch mit der Schulleitung und dem Lehrer vorzubereiten. Im Ergebnis gab es unter den Sozialarbeiter_innen eine gemeinsame Haltung und Strategie: Der Lehrer, der sich diskriminierend geäußert hat, sollte zum einen als Kollege wertschätzend angesprochen werden. Gleichzeitig sollte der Betroffenheit der Schüler_innen durch das Vorlesen ihrer Wahrnehmungen möglichst deutlich und konkret vermittelt werden. Zum anderen wollten die Sozialpädagog_innen ihre Einschätzung, dass es sich hier um rassistische Aussagen handelt, erklären. Hier wollten sie anhand der konkreten Beispiele beschreiben, dass die Aussagen des Lehrers, pauschal Kultur/Herkunft mit bestimmten negativen Eigenschaften koppeln und dass solche Äußerungen ausgehend von einer Autoritätsperson nicht auf die leichte Schulter zu nehmen sind.
Was haben wir erreicht?
Die Sozialpädagog_innen gingen mit dieser klaren Haltung und kollegialer Offenheit in das Klärungsgespräch. Der Lehrer fühlte sich als Kollege angesprochen und herausgefordert. Er erklärte die Gründe für sein Verhalten, äußerte aber auch Verständnis für die anderen Positionen. Hilfreich war auch, dass der Schulleiter den Sozialarbeiter_innen im Gespräch den Rücken stärkte. Der Lehrer schlug schließlich vor, mit der Sozialstation und den Klassensprecher_innen der beteiligten Klassen (darunter auch Betroffene) zu sprechen und entschuldigte sich für sein Verhalten.
Zusätzlich erhielt die Schulstation durch die Beratung der MBR auch Kontakte und Informationen zu Antidiskriminierungsberatung, den Registerstellen zur Erfassung rechtsextremer und diskriminierender Vorfälle in Berlin und zu bezirklichen
Wie geht es weiter?
Den Sozialarbeiter_innen hat die Beratung der MBR geholfen den Konflikt zu lösen. Im Anschluss haben sie eine Gruppe interessierter Pädagog_innen initiiert, die sich zu diesem Themenfeld weiter austauschen möchte. Jetzt wird besprochen, ob eine Fortbildung zum Umgang mit Rassismus für das gesamte Kollegium organisiert werden kann.