800.000 Besucher und 2300 verschiedene Biersorten aus 80 Ländern der Welt. Seit 1996 findet mit dem „Internationalen Berliner Bierfestival“ im Berliner Bezirk Friedrichshain eines der größten Feste Europas statt – und wehrt sich seit Jahren erfolgreich gegen Rechtsextreme und Rassist_innen.
Was war das Problem?
Lange Zeit galt die Veranstaltung als Sammlungspunkt für Rechtsextreme, immer wieder kam es zu rassistischen und rechtsextremen Angriffen auf dem Fest und im Umfeld. Noch 2002 schrieb die Wochenzeitung Jungle World: „Hinter dem Stand einer Imkerei aus Neubrandenburg, die sich „Germanenzug Schwaßmann“ nennt, begeben sich über hundert hartgesottene Nazis, darunter auch stadtbekannte Berliner Kader, in eine bierselige Massenschlägerei. Die Anbieter des Germanentrunks lassen seelenruhig die Läden herunter und schließen ihren Stand. Nebenan geht ein Biertisch nach dem anderen zu Bruch.“ In den Chroniken der Antifa Friedrichshain und des Registers Friedrichshain-Kreuzberg finden sich jährlich wiederkehrende Einträge von Übergriffen und Pöbeleien durch Rechtsextreme.
Wie konnten wir helfen?
Die Situation begann sich erst langsam zu ändern als 2006 die von der MBR unterstützte Initiative gegen rechts Friedrichshain mit einem Stand auf dem Fest vertreten war. Dies ist auch ein Ergebnis des öffentlichen Drucks, den die Initiative zusammen mit Bezirkspolitiker_innen erzeugt hat und der dazu geführt hat, dass das Problem endlich anerkannt wurde.
Seit 2010 berät die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin den Veranstalter des Festes und unterstützt ihn in seinem Anliegen, die Biermeile zu einem Fest zu machen, auf dem „Rassismus, Rechtsextremismus und Gewalt (…) keinen Platz“ haben sollen. Teil dieser Unterstützung sind Maßnahmen, die in einer gemeinsamen Vorbereitungsgruppe von Veranstaltenden, Bezirksamt, Initiative gegen Rechts und Anwohner_innen erarbeitet wurden. Dazu gehörten u.a. Schulungen zu rechtsextremen Symbolen und Marken für die Mitarbeiter_innen der Biermeile und des Sicherheitsdienstes oder die Beratung bei der Entwicklung der Festivalordnung.
Rassismus, Rechtsextremismus und Gewalt haben auf der “Biermeile” keinen Platz!
Die “Biermeile” ist ein internationales Festival mit jährlich hunderttausenden Gästen unterschiedlicher kultureller, ethnischer, sozialer und religiöser Herkunft. Sie steht damit für Vielfalt und Weltoffenheit.
Wir tolerieren auf der “Biermeile” keine beleidigenden Äußerungen, Bedrohungen oder Angriffe aufgrund von Hautfarbe, Religion, Nationalität oder sexueller Orientierung. Unterstützen Sie uns dabei, ein Klima der Toleranz und des gegenseitigen Respektes zu fördern!
Die Darstellung entsprechender Symbole auf Kleidungsstücken oder das Tragen von Accessoires mit einem Bezug zur rechtsextremen Szene ist ein Verstoß der Festivalordnung. Wird dies auf dem Gelände der “Biermeile” wahrgenommen, wird der Verstoß mit sofortigem Verweis vom Gelände geahndet. Der Veranstalter tritt dafür ein, dass das Internationale Berliner Bierfestival auch künftig bleibt, was es ist: Ein bunter und unterhaltender Streifzug durch die friedliche Welt des Bieres.
Was haben wir erreicht?
Die Festivalordnung, die seit 2011 Verwendung findet, verbietet nicht nur strafrechtlich relevante rechtsextreme Äußerungen, sondern auch solche „mit einem Bezug zur rechtsextremen Szene“. Im Jahr 2013 veröffentlichte der Veranstalter bereits im Vorfeld eine Erklärung, die auch von den beiden Bezirksstadträten Mildner-Spindler und Dr. Beckers, Frau Scheibner, Präsidentin des Verbands Privater Brauereien Deutschland e.V., der Johanniter Unfall-Hilfe sowie den Unternehmen Fourtech Events und Grützmacher Sicherheitsdienste getragen wurde. Die Festivalordnung wird mindestens seit 2014 selbstverständlich und pünktlich zum Festivalbeginn an allen Zugängen zum Gelände aufgestellt. Durch die relativ kontinuierliche Zusammensetzung des Teams des Sicherheitsunternehmens ist die Umsetzung mittlerweile beinahe ein Selbstläufer geworden. Bis auf einige Aktualisierungen neuerer Entwicklungen in der rechtsextremen Szene sind daher seit dem Jahr 2016 keine umfassenden Schulungen des Personals mehr nötig. Auch dies verbucht die MBR als Erfolg, ist es doch stets ihr Ansatz, Beratungsnehmenden durch Hilfe zur Selbsthilfe Mittel an die Hand zu geben, sich stellenden Herausforderungen eigenständig zu begegnen.
Die langfristige und konsequente Haltung spiegelt sich auch im niedrigen Niveau von Verstößen wieder. In den Jahren 2017 – 2019 pendelten sich die dokumentierten Verstöße bei rund 35 Vorfällen pro Jahr ein. Aus den Aussagen diverser Besucher_innen dem Sicherheitsdienst gegenüber lässt sich ableiten, dass die Festivalordnung dahingehend wirkt, dass Personen ihre Szenebekleidung zu Hause lassen, um auf dem Gelände nicht durch den Sicherheitsdienst behelligt zu werden.
Wie geht es weiter?
Die Entwicklungen bis ins Jahr 2019 zeigen: Die Biermeile hat erheblich an Attraktivität für organisierte Rechtsextreme verloren, sie ist kein Sammlungspunkt für rechtsextreme Cliquen mehr. Am Ende ist dieser Prozess noch nicht: noch immer sind rechtsextreme und rassistische Ausdrucksformen auf der Biermeile präsent. Einige Besucher_innen lobten antirassistische Positionierungen wie beispielsweise jene der Biermarke Quartiermeister, während anderen diese ablehnend kommentierten. Im Jahr 2017 präsentierte sich erstmals ein offen LGBTIQ*-freundlicher Bierstand auf der Biermeile. Der Betreiber berichtete von keinen negativen Erfahrungen. Das Publikum der Biermeile entspricht in seiner Zusammensetzung zunehmend mehr der diversen Stadtgesellschaft Berlins. Internationale Tourist_innen reisen zum Teil aus der ganzen Welt an, um ein Wochenende auf der Biermeile zu verbringen und prägen damit das Außenbild des Festivals ganz entscheidend mit.
Die Biermeile wird von vielen Bewohner_innen Friedrichshains längst nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen, sie ist ein Feld, auf dem Auseinandersetzungen geführt werden müssen, auf dem allerdings auch Erfolge und Allianzen möglich sind. Wie in anderen Bereichen auch, spiegeln sich auf der Biermeile gesellschaftliche Entwicklungen wider. Angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre kann allerdings davon gesprochen werden, dass es auf dem Berliner Bierfestival im Vergleich zu anderen Events dieser Art und Größe zu keiner auffälligen Konzentration rechtsextremer oder rassistischer Vorkommnisse kommt. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin wird auch künftig den Akteuren auf diesem Feld beratend zur Seite stehen, um auch auf der Biermeile immer weiter an der Schaffung eines angstfreien Klimas für alle Besucher_innen zu arbeiten.