Berliner Konsens gegen Rechtsextremismus

Ein gemeinsames, klares Zeichen gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulisten von allen demokratischen Parteien das war das Ziel eines Beratungsfalls 2011. Der „Berliner Konsens“ wurde gemeinsam mit der MBR und dem VDK-Projekt „Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in kommunalen Gremien Berlins“ erarbeitet. Vertreter aller Parteien unterzeichneten das Papier anschließend öffentlich.

Was war das Problem?

Im September 2011 fanden die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) statt. Die rechtsextreme NPD und die rechtspopulistischen Parteien „Pro Deutschland“ sowie „Die Freiheit“ traten zur Wahl an. In der ganzen Stadt hingen ihre rassistischen Plakate. Die Sorge war groß, dass die Rechtsextremen und Rechtspopulisten zahlreiche Mandate in den BVVen oder gar Sitze im Abgeordnetenhaus erringen könnten.

Was es bedeutet, wenn Rechtsextreme bei Wahlen Erfolge haben, zeigte sich 2006. Damals gewann die NPD in vier Berliner BVVen mehrere Sitze. Seitdem fielen die NPD-Bezirksverordneten immer wieder mit rassistischen oder geschichtsrevisionistischen Provokationen auf. Mehrfach mussten Gerichte entscheiden, ob die NPD-Äußerungen den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllten. Zuletzt war im Oktober 2012 der damalige NPD-Chef Udo Voigt in erster Instanz verurteilt worden, nachdem er in einer BVV-Rede die Waffen-SS verherrlicht hatte. Voigt kündigte Berufung an.

Wie konnten wir helfen?

Die MBR und ihr Partner-Projekt „Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in den kommunalen Gremien Berlins“ konnten die Wichtigkeit des Themas und die konkrete Problemlage in Berlin deutlich machen. Es gelang über alle parteipolitischen Differenzen hinweg die Abgeordneten für eine gemeinsame Positionierung zu gewinnen. Hilfreich waren dabei die jahrelangen Erfahrungen mit rechtsextremen Wahlkampfstrategien und die Analyse des Vorgehens der NPD in den Parlamenten. Auch das Auftreten der rechtspopulistischen Gruppierungen wurde von der MBR von Beginn an genau beobachtet und ausgewertet. So konnte die MBR die Diskussion der Parteienvertreter gut moderieren und bei der Formulierung des „Berliner Konsens“ zur Seite stehen.

Was haben wir erreicht?

Auf einer großen Pressekonferenz in den Räumen der MBR erklärten die Fraktionsvorsitzenden beziehungsweise ihre Stellvertreter, dass sie einer rassistischen Stimmungsmache und den menschenverachtenden Positionen der Rechtsextremen und Rechtspopulist/innen kein Podium bieten werden. Diese deutliche Botschaft des „Berliner Konsens“ wurde zusätzlich über Plakate, Postkarten und die breite Medienberichterstattung in der Stadt verbreitet. Mit Erfolg: Der „Berliner Konsens“ hat dazu beigetragen, dass sich die Berliner Stadtgesellschaft im Vorfeld der Wahlen nahezu geschlossen gegen Rassismus und antidemokratische Einstellungen gestellt hat. Nirgendwo gelang der NPD, der „Freiheit“ oder „Pro Deutschland“ trotz massiver Wahlwerbung die Stimmung in der Stadt rassistisch aufzuladen. Sie blieben isoliert. Dadurch wurden die Wahlchancen der drei Rechtsaußen-Parteien klein gehalten.

„Die Freiheit“ und „Pro Deutschland“ scheiterten am 16. September 2011 deutlich mit nur wenig mehr als einem Prozent der Stimmen. Auch die NPD büßte deutlich Stimmen ein und verpasste den Wiedereinzug in die Neuköllner BVV. In Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick und Lichtenberg zog die NPD erneut in die BVVen ein. Aber sie verlor hier den wichtigen Fraktionsstatus, da sie jeweils nur zwei der benötigten drei Sitze bekam.

Wie geht es weiter?

Ungeachtet ihrer Stimmverluste ist die NPD weiter in Berlin aktiv und auch die Rechtspopulisten von „Pro Deutschland“ und „Die Freiheit“ versuchen nach wie vor, in einzelnen Bezirken Themen aufzugreifen. Die NPD-Vertreter/innen in den BVVen geben sich auf der einen Seite als „Kümmerer“-Partei für die Interessen der Bürger/innen. Auf der anderen Seite kommt es regelmäßig zu rassistischen Ausfällen und gezielten rechtsextremen Provokationen.

Die demokratischen Parteien stehen daher weiterhin vor der Herausforderung, rechtsextreme und rechtspopulistische Bestrebungen geschlossen und inhaltlich fundiert zurückzuweisen. Darüber hinaus ist die Politik gefordert, selbst Akzente für Demokratie und Menschenrechte zu setzen. Die MBR wird auch weiterhin das Vorgehen der extremen Rechten in den Bezirken beobachten und den demokratischen Parteien beratend zur Seite stehen.

Der Berliner Konsens im Wortlaut:

Öffentliche Erklärung der im Abgeordnetenhaus von Berlin vertretenen Parteien

In den vergangenen fünf Jahren haben die rechtsextremen Verordneten der NPD in den BVVen, in denen sie Mandate erringen konnten, vielfach rassistische und geschichtsrevisionistische Anträge eingebracht. Ein wesentliches Ziel rechtsextremer Gremienarbeit ist die gezielte Provokation mittels menschenverachtender Rhetorik, die zum einen an die eigene Klientel gerichtet ist und zum anderen der Skandalinszenierung dient. Der Berliner Konsens der demokratischen Parteien in den BVVen ermöglichte es, rechtsextreme Initiativen in den Gremien geschlossen abzulehnen und darüber hinaus öffentlich dazu Stellung zu beziehen und die Strategien rechtsextremer Verordneter aufzuzeigen.

2011_Konsen-gegen-rechts_webAm 18. September 2011 stehen die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen an. Anlass zur Sorge geben den unterzeichnenden Parteien neben dem wiederholten Antritt der rechtsextremen NPD in diesem Jahr auch rechtspopulistische Parteien.

Die NPD vertritt einen unverhohlenen biologistischen Rassismus sowie menschenverachtende Positionen und schreckt dabei auch nicht vor Gewalt zurück.

Die rechtspopulistischen Parteien instrumentalisieren gesellschaftliche Fragen und soziale Problemstellungen dafür, Menschen mit Migrationshintergrund und hier insbesondere Muslime als Verantwortliche für die dargestellten Probleme zu kennzeichnen.

Angesichts dessen sind sowohl die demokratische Parteienlandschaft als auch alle Bürgerinnen und Bürger Berlins aufgefordert, Stellung zu beziehen. Die unterzeichnenden Parteien haben sich auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt und erklären:

  1. Wir fordern alle Berlinerinnen und Berliner auf, wählen zu gehen. Eine hohe Wahlbeteiligung erschwert die Erfolge für rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien.
  2. Wir wenden uns dagegen, rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien ein Podium zu geben. Mit Vertreterinnen und Vertretern von diskriminierenden Positionen darf es keine Diskussion auf Augenhöhe geben.
  3. Wir als demokratische Parteien treten gemeinsam aktiv gegen Rassismus und Rechtsextremismus in der Gesellschaft ein. Zudem unterstützen wir zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich gegen rassistische Stimmungsmache engagieren.
  4. Berlin ist eine von Einwanderung geprägte Stadt. Wir wenden uns gegen rassistische Zuschreibungen und das Austragen gesellschaftlicher Problemlagen auf dem Rücken von Minderheiten. Wir setzen uns für die Suche nach gemeinsamen Lösungsansätzen mit den
    Menschen vor Ort ein.
  5. Im Wahlkampf werden wir gemeinsam Rassismus, Populismus und Rechtsextremismus die Rote Karte zeigen und gegen die diskriminierenden Positionen rechtsextremer und rechtspopulistischer Parteien Stellung beziehen.
  6. Wir wenden uns an die Berliner Schulen: Weder auf Veranstaltungen in Schulen noch auf den Schulhöfen darf für die menschenverachtende und rassistische Propaganda der NPD oder von Rechtspopulisten Platz sein – es gilt, dieser in jeder Form entschieden entgegenzutreten.
  7. Rechtsextremen und rechtspopulistischen Veranstaltungsoffensiven und Versuchen, sich in öffentlich‐rechtlichen Räumen als wählbare oder gar demokratische Parteien zu inszenieren, gilt es mit allen juristischen Mitteln und Möglichkeiten des demokratischen und friedlichen Protestes zu begegnen.
  8. Unsere Solidarität gilt allen Betroffenen rechtsextremer Gewalt und rassistischer Diskriminierung.

Besonderer Dank gilt der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (mbr) für ihre Unterstützung beim “Berliner Konsens”.

Pressespiegel

30.06.2011: Vorwärts | Berliner Parteien gegen Rechts

29.06.2011: Mut gegen rechte Gewalt | Dem Konsens verpflichtet

29.06.2011: Der Tagesspiegel | Parteien für Einheit gegen Rechtsextreme

29.06.2011: Potsdamer Neueste Nachrichten | Parteien für Einheit gegen Rechtsextreme

28.06.2011: Süddeutsche Zeitung | Schulterschluss gegen Rechtsextremismus

28.06.2011: Netz gegen Nazis | Berliner Konsens gegen Rechtsextremismus

25.06.2011: RBB | Berliner Konsens gegen Rechts

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