Was war das Problem?
Ein fünfjähriges Kind äußert im Morgenkreis einer Kita, seine Mutter hätte ihm gesagt, dass Hitler nicht alle Juden umgebracht habe und Gott wolle, dass alle Juden umgebracht werden. Die Leiterin der Kita sprach diese Situation auf einer Teamsitzung an. Eine Erzieherin äußerte daraufhin, dass sie jetzt ausspreche, was alle denken und dass es ja leider (sic!) so sei, dass Hitler nicht alle Juden umgebracht habe. Die Leiterin widersprach ihr sehr deutlich und konfrontierte sie später im Einzelgespräch u.a. mit der Information, dass eine externe Erzieherin Jüdin sei. Die jüdische Pädagogin, die in der Kita künstlerische Kurse durchführt, erfuhr von den antisemitischen Äußerungen. Sie meldete den Vorfall der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS), welche eine Beratung durch die MBR anregte, die die Betroffene annahm.
Wie konnten wir helfen?
Im Beratungsgespräch formulierte die Pädagogin den Wunsch, dass sich die Erzieherin, die sich antisemitisch geäußert hatte, mit Antisemitismus auseinandersetzen solle. Im Beratungsauftrag wurde vereinbart, dass die MBR die Betroffene bei der Wahrnehmung ihrer Interessen unterstützt. Konkret wurden gemeinsam Vor- und Nachteile verschiedener Reaktionsmöglichkeiten auf den Vorfall diskutiert, um die für sie förderlichste Variante zu identifizieren. Dabei wurden die beteiligten Personen, die Struktur der Einrichtung und deren Ressourcen intensiv betrachtet. Die Beratungsnehmende entschied sich schließlich dafür, auf die Erzieherin aktiv zuzugehen und sie mit dem Gesagten zu konfrontieren. Der Vorschlag der MBR, Inhalt und Ablauf des Gespräches gemeinsam vorzubereiten und kleinere Sequenzen sowie Kommunikationsstrategien in einem Rollenspiel auszuprobieren, wurde angenommen und umgesetzt.
Was wurde erreicht und wie geht es weiter?
Die Beratungsnehmende führte das Gespräch mit der Erzieherin im Beisein der Leiterin der Einrichtung. Darin entschuldigte sich die Erzieherin für ihre antisemitischen Äußerungen, relativierte diese allerdings gleichzeitig mit dem Hinweis, dass sie auch zu einer Minderheit gehören würde und den Film „Schindlers Liste“ gesehen hätte.
Die Beratungsnehmende führte durch das Gespräch und war mit dem Verlauf sehr zufrieden, auch wenn aus ihrer Sicht eine ernsthafte Reflexion der antisemitischen Äußerung durch die Erzieherin nicht erfolgte. Dennoch empfand die Betroffene die Beratung der MBR und das daraus resultierende Gespräch als emotionale und soziale Stärkung. Sie wurde bei ihrem offensiven Umgang mit der antisemitischen Äußerung und den damit einhergehenden Ohnmachtserfahrungen unterstützt, ihre Handlungs- und Argumentationsfähigkeit wurden gestärkt. Außerdem wurde die Einrichtung zu einer weitergehenden Auseinandersetzung mit Antisemitismus motiviert. Außerdem wurde die Einrichtung mit einem entsprechenden Beratungsangebot der mbr zu einer weitergehenden Auseinandersetzung mit Antisemitismus motiviert.