Rechtsextremer Aufmarsch am 05. November

Erneut steht Berlin ein großer rechtsextremer Aufmarsch bevor. Für Samstag, den 5. November 2016, ist in Mitte eine Demonstration unter dem Motto „Merkel muss weg!“ geplant. In diesem Jahr fanden bereits am 12. März, 7. Mai 2016 und 30. Juli solche Versammlungen in Berlin statt. Für den 4. März 2017 ist bereits ein fünfter Aufmarsch unter dem Motto angekündigt. Der Startpunkt der Rechtsextremen ist um 15 Uhr vor dem Hauptbahnhof. Wieder wurde der Aufmarsch im Namen der rechtsextremen Gruppe „Wir für Berlin – Wir für Deutschland“ angemeldet. Hier finden Sie unsere Einschätzung.

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) geht davon aus, dass vor dem Hintergrund der vergangenen drei Aufmärsche – trotz sinkender Zusagen in sozialen Netzwerken – am 5. November weiterhin mit Teilnehmer_innenzahlen im oberen dreistelligen bis unteren vierstelligen Bereich gerechnet werden muss. Allerdings zeichnet sich nach derzeitigem Stand der Mobilisierung eine rückläufige Tendenz ab.

Die Gruppe „Wir für Berlin – Wir für Deutschland“

Auch dieses Mal tritt das rechtsextreme Label „Wir für Berlin – Wir für Deutschland“ (WfB/WfD) als Veranstalter der „Großdemo“ auf. Anmelder und maßgeblicher Akteur der Demonstration ist der Berliner Enrico Stubbe. Er ist durch seine früheren Aktivitäten bei den wöchentlichen Bärgida-Demonstrationen bekannt geworden und Beisitzer im Bundesvorstand der rechtsextremen Kleinstpartei „Pro Deutschland“. Entgegen anderslautenden Bekundungen ist die Splitterpartei in der Vergangenheit an der Organisation und Finanzierung der Veranstaltung ebenfalls beteiligt gewesen. Zudem bestehen Verbindungen zwischen WfB/ WfD und gewaltbereiten Hooligans von HoGeSa-Berlin („Hooligans gegen Salafisten“).

Der Ton wird härter

Die Redner_innen bei den vergangenen Aufmärschen äußerten neben rassistischen Positionen gegen Flüchtlinge und insbesondere Muslimen auch antisemitische, verschwörungstheoretische und NS-relativierende Inhalte. [1] Das für den 5. November angekündigte Programm lässt keine inhaltliche Mäßigung erwarten – im Gegenteil:

Neben den bereits von den vergangenen Versammlungen bekannten Rednern: dem Anmelder Enrico Stubbe, dem Schweizer Rechtspopulisten Ignaz Bearth, dem Pegida-Aktivisten Kay Hönicke und dem ehemaligen „Legida“-Vorsitzenden Markus Johnke sowie dem „Pro Deutschland“-Bundesvorsitzenden Manfred Rouhs, werden für den 5. November auch Julia Schwarze vom extrem rechten Bündnis „Wir lieben Sachsen/Thügida“ und Georg Nagel, Ex-Sprecher von „Pegida Wien“, angekündigt.

Mit Roland Ulbrich aus Leipzig wird auch ein AfD-Politiker als Redner beworben. Er ist sächsischer Landesvorsitzender der „Patriotischen Plattform“, der extrem-rechten, deutsch-nationalen Strömung innerhalb der AfD. Ulbrich betonte in der Vergangenheit: „Die Patriotische Plattform hat schon immer für den Schulterschluss mit Pegida gekämpft.“ [2] Insofern überrascht sein geplanter Auftritt beim „Merkel muss weg“-Aufmarsch nicht.

Ebenfalls angekündigt wird der Rechtsrapper „Chris Ares“ aus München. Er wird dem rassistischen „Bündnis Deutscher Patrioten“ zugerechnet und soll Verbindungen zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“ haben. [3] Ares fiel zuletzt durch eine Attacke auf Journalisten am Rande einer AfD-Wahlparty in München auf. [4]

Mobilisierung schwächelt

Öffentlich wird nahezu ausschließlich in sozialen Netzwerken mobilisiert. Die Anzahl der Facebook-Zusagen für den 5. November belegt zwar erneut eine hohe Verbreitung der Veranstaltung in den sozialen Medien, im Vergleich jedoch mit insgesamt rückläufiger Tendenz. Hatten für den 12. März fast 9.000 Menschen ihre Teilnahme angekündigt, gab es für den 7. Mai nur noch rund 2.300, für den 30. Juli 1.500 und für den 5. November bisher nur noch rund 1.000 Zusagen (Stand: 26.10.2016). Auch den fast 18.000 „an der Veranstaltung Interessierten“ im März, den knapp 5.000 im Mai und den 3.200 im Juli stehen beim aktuellen Aufmarsch derzeit nur noch rund 2.500 Interessierte gegenüber. Erfahrungen der Vergangenheit zeigen allerdings, dass allein daraus noch keine verlässliche Einschätzung über die Zahl der tatsächlich Teilnehmenden abgeleitet werden kann.

Die Samstag zu erwartende Teilnehmenden dürften sich aus demselben Personenspektrum zusammensetzen wie bei den beiden vorigen Malen: organisierte Rechtsextreme aus Kameradschaften, NPD, der Partei „III. Weg“, der „Identitären Bewegung“, Personen aus dem Reichsbürger-Spektrum, Fußball-affine Rechte und Hooligans, Mitglieder der „Patriotischen Plattform“ der AfD, Anhänger_innen rechter Splittergruppen und flüchtlingsfeindlicher Initiativen. Das Gewaltpotenzial der Teilnehmenden wird unverändert hoch sein.

Bei zahlreichen angereisten Teilnehmer_innen der vorherigen Aufmärsche wurde Pfefferspray und Passivbewaffnung festgestellt. Im Mai haben am Rande zwei Mitglieder der organisierten, aktionsorientierten rechtsextremen Szene aus Berlin im Hauptbahnhof gezielt ein Mitglied des Abgeordnetenhauses attackiert. Im Verlauf des Aufmarsches wurden Journalist_innen teils massiv bedrängt, aggressiv neonazistische Parolen gerufen und laut Beobachter_innen auch mehrfach Hitlergrüße gezeigt. Zudem war bei den vergangenen Veranstaltungen eine Verschiebung weg von mehrheitlich bürgerlich auftretenden Flüchtlingsfeinden zu offen agierenden Rechtsextremen und Hooligans zu beobachten.

Erstmalig stehen dem Aufmarsch allerdings zwei Veranstaltungen in Berlin gegenüber, die sich an die gleiche Zielgruppe richten wie der Aufmarsch. So plant der flüchtlingsfeindliche Zusammenschluss „Hand in Hand“ nahezu zeitgleich einen Aufzug unter dem Motto „Frei – Sozial & Souverän“ in der City-West. Ab 14 Uhr will die Gruppierung am Bahnhof Zoo „gegen ein scheiss System“ aufmarschieren. Ihr Debut gab „Hand in Hand“ am 24. September mit nur rund 150 Teilnehmenden aus rechtsextremen und flüchtlingsfeindlichen Initiativen. Auch bei ihrer Facebook-Veranstaltung haben lediglich knapp über 50 Personen ihr Kommen angekündigt. Insofern dürfte die Veranstaltung auf den „Merkel muss weg!“-Aufmarsch kaum Auswirkungen haben.

Auch das rassistische „Compact“-Magazin um Jürgen Elsässer plant am selben Tag in Berlin eine Veranstaltung. Von 13 – 18 Uhr soll eine „Konferenz für Meinungsfreiheit“ mit rechten und rechtsextremen Referenten wie Martin Sellner (Identitäre Bewegung), Lutz Bachmann (Pegida) und André Poggenburg (AfD) stattfinden. Der genaue Ort ist noch unbekannt. Die Zusammensetzung von Rednern ist geeignet, einen erheblichen Anteil Besucher_innen von der „Merkel-muss-weg!“-Versammlung abzuziehen.

Alle Informationen zu den geplanten Gegenprotesten finden Sie bei unserem Partnerprojekt Berlin gegen Nazis.

[1] http://jfda.de/blog/2016/05/10/rechtsextreme-marschieren-in-berlin/
[2] http://www.vorwaerts.de/artikel/driftet-afd-kuenftig-noch-rechts
[3] http://www.jetzt.de/das-ist/der-nationalistische-rapper-der-fuer-die-afd-auftritt
[4] http://www.huffingtonpost.de/2016/09/06/afd-wahlparty-muenchen_n_11866782.html

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