Mit mehreren Versammlungen will das rechtspopulistische und rechtsextreme Milieu in Berlin gegen den UN-Migrationspakt mobilmachen. Bundesweit wird mit verzerrten Darstellungen und Falschbehauptungen gegen die Vereinbarung argumentiert. Aufgrund der hochemotionalen, spektren-übergreifenden Thematisierung sind punktuelle Mobilisierungserfolge auf der Straße nicht auszuschließen. Mehrere Kundgebungen und Aufzüge sind in Berlin geplant. Ein Überblick der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR):
Aktuell machen verschiedenste Akteure der rechtspopulistischen und rechtsextremen Szene bundesweit gegen den UN-Migrationspakt mobil. Die „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“ genannte Vereinbarung soll Mitte Dezember auch von der Bundesregierung unterzeichnet werden und ein Vorstoß sein, die weltweiten Migrationsströme zwischen den Staaten besser zu regulieren. [1]
Die Aktivitäten gegen die UN-Vereinbarung werden durch Verlautbarungen von verschiedenen Regierungen, die auf migrationskritischer, flüchtlingsfeindlicher sowie rechtspopulistischer Grundlage den Pakt ablehnen, politisch zusätzlich motiviert. So verkündeten in den letzten Tagen und Wochen u.a. die USA, Österreich, Ungarn und Polen, dass sie den Pakt nicht unterzeichnen werden. In der Bundesrepublik wird von Rechtsextremen und Rechtspopulist_innen derzeit gezielt versucht, mittels Falschmeldungen, negativ konnotierten Deutungsmustern der Vereinbarung sowie durch das Schüren von flüchtlingsfeindlichen Ressentiments und Niedergangsmetaphern gegen den UN-Pakt mobil zu machen.
Eindrücklich war dies Anfang November in einem Videobeitrag der Organisatorin der flüchtlingsfeindlichen Frauenmärsche Leyla Bilge, die für kommenden Sonntag zu einem Aufmarsch nach Berlin aufruft, festzustellen. Sie zeichnete mithilfe rassistischer Zuschreibungen ein Untergangsszenario als Folge des Migrationspakts: „Was uns hier in Europa und in Deutschland erwartet, dass könnt ihr euch in euren schlimmsten Träumen nicht ausmalen. Massenvergewaltigungen (…) wird es tagtäglich geben. Und nicht als Einzelfälle tagtäglich, sondern mehrmals am Tag werden Massenvergewaltigungen von deutschen jungen Mädchen stattfinden. Und werden nicht nur geschändet, sondern ihr werdet eure Töchter an den Bäumen hängen sehen. (…) Denn keiner dieser Männer, und auch nicht aus dem schwarzafrikanischen Kontinent wird zuhause bleiben, sie werden alle nach Deutschland kommen. Und sie haben ab dem ersten Tag Zugang in unsere Sozialsysteme. Das System wird hier komplett zusammenbrechen. Es wird hier Bürgerkrieg geben.“ Der Migrationspakt sei „der Untergang der deutschen Nation, das ist der Untergang der europäischen Kultur und Identität. Denn es werden nicht nur Männer aus dem Nahen Osten kommen, sondern vor allem auch aus dem schwarzafrikanischen Kontinent.“ [2]
Verschiedene Medien haben bereits versucht, die rechtspopulistischen und rechtsextremen Verschwörungserzählungen und Falschmeldungen zu entkräften. [3] Allerdings werden dementsprechende Argumentationen in diesen Kreisen nicht zur Kenntnis genommen oder als Propaganda der „Lügenpresse“ abgewertet. In dem flüchtlingsfeindlichen Spektrum, das gegen den Pakt mobilisiert und von NPD über „Identitäre Bewegung“ bis „Alternative für Deutschland“ (AfD) sowie zahlreicher rechter Blogs und „Alternativmedien“ reicht, ist zu beobachten, dass die Thematik eine enorme Brisanz entwickelt hat und hochemotional instrumentalisiert wird.
Auch in Berlin dominiert das Thema seit Tagen die aktuellen Diskurse in der rechten Filterblase und wird zunehmend auch auf der Straße getragen. Bereits am vergangenen Montag machten der Berliner Pegida-Ableger „Bärgida“ mit Unterstützung des rechtsextremen Zusammenschlusses „Wir für Deutschland“ (WfD) den Migrationspakt zum Thema ihrer wöchentlichen Versammlung. Am vergangenen Mittwoch wurde auch bei der wöchentlichen Kundgebung vor dem Kanzleramt unter dem Titel „Merkel muss weg-Mittwoch“ der Migrationspakt thematisiert. Weitere Veranstaltungen sind in nächster Zeit aus dem Milieu in der Hauptstadt geplant.
Aufzug am 11. November zum Kanzleramt
Bereits am kommenden Sonntag will die flüchtlingsfeindlichen AfD-Aktivistin [4] Leyla Bilge mit Unterstützung verschiedener AfD-Politiker in Berlin demonstrieren. Unter dem Motto „Widerstand gegen den Migrationspakt! Gemeinsam auf die Straße gegen die ungehinderte Flutung Europas mit illegalen Migranten und Gewaltverbrechern! Dieser Pakt ist Völkermord!“ ruft sie für den 11. November zu einem „Protestmarsch zum Kanzleramt“ auf. Ab 12 Uhr soll die Versammlung am Washingtonplatz beginnen und über Kapelle-Ufer, Reinhardtstraße, Luisenstraße, Wilhelmstraße, Unter den Linden, Pariser Platz, Platz des 18.März, Ebertstraße, Scheidemannstraße, Paul-Löbe Allee zum Bundeskanzleramt führen. 250 Personen sind angemeldet. In dem Aufruf dazu heißt es, der „Migrationspakt wird eine neue Völkerwanderung auslösen. Europa und unser Deutschland, wie es heute existiert, steht vor der Zerstörung!“
Öffentlich wird, wie in diesem Spektrum üblich, vor allem in sozialen Netzwerken mobilisiert. Die virtuelle Resonanz für den Aufmarsch liegt bei 220 Facebook-Zusagen und 1449 „Interessierten“ (Stand: 08.11.2018). Allerdings kann allein aus der Resonanz auf die Facebook-Mobilisierung keine realistische Einschätzung der Zahl der Teilnehmenden am Tag selbst abgeleitet werden. Durch die Massivität der Behandlung des Themas in rechten Kreisen, kann durchaus auch eine höhere Teilnehmer_innenzahl im mittleren dreistelligen Bereich erwartet werden.
Bilge besitzt als umtriebige Aktivistin im islam- und flüchtlingsfeindlichen Milieu ein hohes Mobilisierungspotential. Bewusst wird die Veranstaltung, wie schon ihre „Frauenmärsche“ nicht als AfD-Versammlung beworben, um auch anschlussfähig für andere (extrem) rechte Protagonist_innen zu sein. Dass Bilge die Beteiligung solcher Personen auf Veranstaltungen nicht als Problem wahrnehmen möchte, war nicht nur bei ihren „Frauenmärschen“ zu beobachten, bei denen auch Mitglieder und Anhänger_innen der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ und NPD präsent waren. Bilge, Mitarbeiterin des AfD-Bundestagsabgeordneten Ulrich Oehme, hat Ende August in Chemnitz bei den rassistischen und rechtsextremen Mobilisierungen teilgenommen, wobei sie direkt neben militanten Neonazis des „III. Weg“ lief und deren Parolen mitskandierte. [5] Zudem wurde bei Bilges „Frauenmarsch“ am 6. Oktober in München vom Lautsprecherwagen Musik des rechtsextremen Liedermachers Frank Rennicke, der 2009 und 2010 für die NPD als Kandidat zum Bundespräsidenten aufgestellt wurde, abgespielt. [6]
Dauermahnwache vom 16.-18. November
Von „Pegida München e.V.“ ist zudem eine „Dauermahnwache“ vom 16. bis 18. November am Pariser Platz für 20 Personen angemeldet. Das Motto lautet hier: „Merkel muss weg – Migrationspakt – Islam, die Gefahr für unsere Demokratie“. Beworben wird die Versammlung als „längste Mahnwache gegen den Migrationspakt“. Diese Veranstaltung wird unterstützt von der rechtsextremen Gruppe „Wir für Deutschland“. [7] Der Münchener Pegida-Ableger gilt als besonders rechtsextreme Version des Dresdener Vorbilds. Ihr vorbestrafter Vorstand Heinz Meyer wurde erst vor wenigen Wochen zwei Mal verurteilt. Wegen Volksverhetzung erhielt er Mitte Oktober eine Bewährungsstrafe [8], bereits im August wurde er wegen Billigung rechtsterroristischer Straftaten verurteilt. [9]
Sollten zu den Versammlungen oder zukünftigen Aktionen Gegenproteste geplant sein, finden Sie alle Informationen darüber bei unserem Partnerprojekt Berlin gegen Nazis.
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Global_Compact_for_Safe,_Orderly_and_Regular_Migration
[2] https://www.facebook.com/leyla.bilge.737/videos/139851120313692/
[3] u.a. Frankfurter Rundschau (http://www.fr.de/politik/un-migrationspakt-mit-verschwoerungstheorien-gegen-ein-un-abkommen-a-1612357), BILD (https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/verschwoerungstheorien-die-wahrheit-ueber-den-un-migrationspakt-58152842.bild.html) oder das Onlineportal „Watson“ (https://www.watson.de/deutschland/international/335319832-die-afd-sagt-merkel-wolle-alle-migranten-der-welt-nach-deutschland-lassen-stimmt-das)
[4] https://www.mbr-berlin.de/aktuelles/mbr-einschaetzung-zum-frauenmarsch-am-09-06-18/
[5] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_84357194/afd-marschierte-in-chemnitz-mit-terror-sympathisanten.html
[6] https://twitter.com/robertandreasch/status/1048571294776811525
[7] https://www.mbr-berlin.de/aktuelles/rechtsextremer-aufmarsch-am-9-november/
[8] https://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/pegida-vormann-und-bler-hetzer
[9] https://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/bew-hrungsstrafe-f-r-m-nchner-pegida-frontmann